Wie lange hat der Arbeitgeber Zeit, ein Arbeitszeugnis auszustellen?

Ein Leitfaden für Arbeitnehmer
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Svenja Killet

Rechtsanwältin
Strafverteidigerin

wie lange hat der Arbeitgeber Zeit ein Arbeitszeugnis auszustellen

Das Arbeitszeugnis ist für viele Arbeitnehmer von zentraler Bedeutung für die weitere berufliche Laufbahn. Doch was tun, wenn der ehemalige Arbeitgeber sich Zeit lässt oder das Zeugnis gar nicht ausstellen will? In diesem Artikel erfahren Sie von einem Anwalt für Arbeitsrecht alles über die gesetzlichen Fristen und Ihre Rechte bei der Zeugniserteilung.

Inhalt

Das Wichtigste im Überblick

  • Das Arbeitszeugnis muss unverzüglich ausgestellt werden – je nach Position und Unternehmensgröße innerhalb von 2-6 Wochen
  • Bei unberechtigter Verzögerung haben Sie Anspruch auf Schadensersatz und können Ihre Rechte gerichtlich durchsetzen
  • Ihr Anspruch bleibt auch in Sonderfällen wie Insolvenz, Betriebsübergang oder beim Ausscheiden des Vorgesetzten bestehen

Rechtsanspruch auf Arbeitszeugnis: Gesetzliche Grundlage nach § 109 GewO

Grundsätzlich hat jeder Arbeitnehmer nach § 109 GewO einen Rechtsanspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis. Dieser Anspruch entsteht mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Aber auch während des laufenden Arbeitsverhältnisses können Sie ein Zwischenzeugnis verlangen, etwa bei einem Vorgesetztenwechsel oder einer anstehenden Bewerbung.

Unverzügliche Ausstellung des Arbeitszeugnisses: Konkrete Fristen für Arbeitgeber

Der Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet, das Zeugnis „unverzüglich“ auszustellen. Unverzüglich bedeutet nach der Rechtsprechung „ohne schuldhaftes Zögern“. In der Praxis wird hierfür je nach Einzelfall ein Zeitraum von etwa 2-3 Wochen als angemessen erachtet. Diese Frist kann sich in bestimmten Fällen verlängern oder verkürzen:

  • Bei einfachen Tätigkeiten: 1-2 Wochen
  • Bei komplexen Positionen oder langer Betriebszugehörigkeit: bis zu 4 Wochen
  • In Großunternehmen mit vielen Abstimmungsprozessen: maximal 6 Wochen

Verzögerung beim Arbeitszeugnis: Typische Ausreden des Arbeitgebers & deren rechtliche Bewertung

In der Praxis kommt es leider oft zu Verzögerungen bei der Zeugniserstellung. Folgende Gründe werden häufig angeführt, sind aber rechtlich meist nicht haltbar:

  1. „Der zuständige Vorgesetzte ist im Urlaub“
  2. „Wir haben aktuell zu viel zu tun“
  3. „Die Personalakte muss erst gefunden werden“
  4. „Wir warten noch auf Informationen aus anderen Abteilungen“


Diese Ausreden sind rechtlich nicht akzeptabel. Der Arbeitgeber muss organisatorisch sicherstellen, dass Arbeitszeugnisse auch bei Abwesenheit einzelner Mitarbeiter zeitnah erstellt werden können.

Durchsetzung Ihrer Rechte: Möglichkeiten bei verzögerter Arbeitszeugnis-Ausstellung

Wenn Ihr Arbeitgeber das Zeugnis nicht innerhalb der angemessenen Frist ausstellt, stehen Ihnen verschiedene rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung:

1. Mahnung

Zunächst sollten Sie Ihren Arbeitgeber schriftlich zur Zeugniserteilung auffordern und eine angemessene Frist setzen (etwa 2-3 Wochen).

2. Schadensersatzansprüche

Bei schuldhafter Verzögerung können Sie Schadensersatz verlangen, wenn Ihnen durch die verspätete Zeugniserteilung ein nachweisbarer Schaden entstanden ist (z.B. entgangene Bewerbungschancen). Die Beweislast obliegt hierbei dem Arbeitnehmer; eine Vermutungsregel greift nicht.

3. Gerichtliche Durchsetzung

Als letztes Mittel können Sie Ihren Anspruch gerichtlich durchsetzen:

  • Durch einstweilige Verfügung
  • Durch Klage auf Zeugniserteilung
  • Durch Zwangsvollstreckung

Arbeitszeugnis schnell erhalten: 5 Praxistipps für die erfolgreiche Durchsetzung

Als erfahrene Arbeitsrechtskanzlei wissen wir, dass der richtige Ansatz bei der Anforderung eines Arbeitszeugnisses entscheidend ist. Hier erfahren Sie, wie Sie strukturiert und professionell vorgehen sollten:

1. Schriftlichen Antrag auf Zeugniserteilung stellen

Ein formeller schriftlicher Antrag ist der erste und wichtigste Schritt. Dieser sollte folgende Elemente enthalten:

  • Ihre persönlichen Daten und Kontaktinformationen
  • Beschäftigungszeitraum und letzte Position
  • Art des gewünschten Zeugnisses (einfach oder qualifiziert)
  • Konkrete Fristsetzung (2-3 Wochen sind angemessen)
  • Datum und Ihre Unterschrift


Beispielformulierung:

Sehr geehrte/r [Name],

hiermit beantrage ich die Ausstellung meines qualifizierten Arbeitszeugnisses für meine Tätigkeit als [Position] im Zeitraum vom [Datum] bis zum [Datum]. Gemäß der gesetzlichen Vorgaben bitte ich Sie, mir das Zeugnis bis zum [Datum in 2-3 Wochen] zuzusenden.

Mit freundlichen Grüßen [Ihr Name]

2. Professionelle Dokumentation der Kommunikation

Legen Sie von Beginn an eine chronologische Dokumentation an:

  • Bewahren Sie Kopien aller schriftlichen Kommunikation auf
  • Protokollieren Sie Telefonate mit Datum, Uhrzeit und Gesprächsinhalt
  • Versenden Sie wichtige Schreiben nachweisbar (Einschreiben oder E-Mail mit Lesebestätigung)
  • Speichern Sie alle relevanten E-Mails in einem separaten Ordner

3. Angemessene Fristen setzen und überwachen

Setzen Sie realistische, aber bestimmte Fristen:

  • Erste Frist: 2-3 Wochen ab Antragstellung
  • Nachfrist bei Verzögerung: weitere 1-2 Wochen
  • Dokumentieren Sie die gesetzten Fristen in Ihrem Kalender
  • Reagieren Sie unmittelbar nach Fristablauf

4. Rechtliche Konsequenzen professionell kommunizieren

Bei Verzögerungen sollten Sie Ihren Arbeitgeber sachlich auf mögliche Folgen hinweisen:

  • Erwähnen Sie Ihren gesetzlichen Anspruch auf unverzügliche Zeugniserteilung
  • Weisen Sie auf mögliche Schadensersatzansprüche hin
  • Kündigen Sie bei weiterer Verzögerung rechtliche Schritte an
  • Bleiben Sie dabei stets höflich und professionell


Beispielformulierung für ein Erinnerungsschreiben:

Sehr geehrte/r [Name],

bezugnehmend auf meinen Antrag vom [Datum] erinnere ich Sie an die Ausstellung meines Arbeitszeugnisses. Die gesetzte Frist ist am [Datum] abgelaufen. Ich bitte Sie, mir das Zeugnis bis spätestens [neues Datum] zuzusenden. Andernfalls sehe ich mich leider gezwungen, rechtliche Schritte einzuleiten.

Mit freundlichen Grüßen [Ihr Name]

5. Rechtzeitige rechtliche Unterstützung sichern

Ziehen Sie rechtzeitig einen spezialisierten Anwalt hinzu:

  • Idealerweise bereits nach erfolgloser erster Nachfrist
  • Spätestens wenn der Arbeitgeber auf Ihr Erinnerungsschreiben nicht reagiert
  • Auf jeden Fall vor Ablauf eventueller Verjährungsfristen
  • Zur Prüfung des erhaltenen Zeugnisses auf rechtliche Konformität

Sonderfälle der Arbeitszeugnis-Ausstellung: Insolvenz, Betriebsübergang & Co.

Der Anspruch auf ein Arbeitszeugnis besteht auch in besonderen betrieblichen Situationen fort. Als erfahrene Arbeitsrechtskanzlei unterstützen wir Sie gerade in diesen komplexen Fällen bei der Durchsetzung Ihrer Rechte.

Insolvenz des Arbeitgebers

Die Insolvenz Ihres Arbeitgebers ändert nichts an Ihrem grundsätzlichen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis. Entscheidend ist dabei der Zeitpunkt der Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses: Erfolgte diese vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, bleibt Ihr ursprünglicher Arbeitgeber zur Zeugniserteilung verpflichtet. Er muss dem Insolvenzverwalter gemäß § 97 Abs. 1 und 2 InsO alle erforderlichen Informationen zur Verfügung stellen und bei der Erfüllung dieser Aufgabe unterstützen.

Bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Insolvenzeröffnung übernimmt der Insolvenzverwalter diese Verantwortung. Er ist dann in der Pflicht, alle notwendigen Informationen einzuholen und zu verarbeiten. Wichtig für Sie zu wissen: Die üblichen Fristen für die Zeugniserstellung gelten auch in der Insolvenz. Sollte die Ausstellung dennoch verweigert werden, können Sie Ihre Ansprüche auch in dieser Situation gerichtlich durchsetzen.

Betriebsübergang nach § 613a BGB

Ein Betriebsübergang schafft besondere Herausforderungen für die Zeugniserstellung. Der neue Arbeitgeber trägt hier die Hauptverantwortung und muss ein Gesamtzeugnis ausstellen, das auch Ihre Tätigkeiten beim Vorarbeitgeber umfassend würdigt. Dafür ist er verpflichtet, aktiv Informationen beim alten Arbeitgeber einzuholen – dieser wiederum muss die notwendigen Auskünfte erteilen.

Als Arbeitnehmer haben Sie in dieser Situation sogar einen erweiterten Anspruch: Neben dem Gesamtzeugnis können Sie optional auch separate Zeugnisse für die jeweiligen Beschäftigungszeiträume anfordern. Sollte die Informationsweitergabe zwischen den Arbeitgebern nicht optimal funktionieren, steht Ihnen ein Anspruch auf Nachbesserung zu.

Ausscheiden des Vorgesetzten

Häufig stehen Arbeitnehmer vor der Situation, dass ihr direkter Vorgesetzter das Unternehmen bereits verlassen hat. Dies ist jedoch kein Grund, auf Ihr Zeugnis zu verzichten. Die Verantwortung geht in solchen Fällen zunächst an den nächsthöheren Vorgesetzten über. Alternativ kann auch die Personalabteilung oder eine andere fachlich kompetente Führungskraft das Zeugnis erstellen.

Für eine faire Beurteilung muss der Arbeitgeber dabei auf verschiedene Quellen zurückgreifen: Dokumentierte Leistungsbeurteilungen, Personalakten und Projektdokumentationen bilden die Grundlage. In manchen Fällen wird auch das Feedback von Teamkollegen und anderen Führungskräften eingeholt. Der Arbeitgeber ist dabei in der Pflicht, aktiv alle relevanten Informationen zu beschaffen und eine objektive Beurteilung sicherzustellen – notfalls auch durch Kontaktaufnahme mit dem ehemaligen Vorgesetzten.

In all diesen Sonderfällen kann die Durchsetzung Ihrer Ansprüche komplexer sein als im Normalfall. Als Ihre spezialisierte Arbeitsrechtskanzlei stehen wir Ihnen zur Seite und sorgen dafür, dass Sie auch in schwierigen Situationen zu Ihrem Recht kommen.

Häufig gestellte Fragen

Nach der aktuellen Rechtsprechung muss das Arbeitszeugnis unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, ausgestellt werden. Bei einfachen Tätigkeiten bedeutet dies 1-2 Wochen, bei komplexeren Positionen 2-3 Wochen. In Großunternehmen mit vielen Abstimmungsprozessen kann die Frist in Ausnahmefällen bis zu 6 Wochen betragen.

Ja, Sie haben auch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein sogenanntes Zwischenzeugnis. Typische Anlässe sind beispielsweise ein Vorgesetztenwechsel, eine anstehende Bewerbung oder eine wesentliche Änderung Ihres Tätigkeitsbereichs.

Zunächst sollten Sie eine schriftliche Mahnung mit angemessener Fristsetzung (2-3 Wochen) versenden. Bleibt diese erfolglos, können Sie Ihren Anspruch gerichtlich durchsetzen – sowohl durch eine normale Klage als auch im Wege einer einstweiligen Verfügung. Als Ihre Arbeitsrechtsexperten unterstützen wir Sie dabei.

Grundsätzlich ja. Wenn Sie nachweisen können, dass Ihnen durch die verzögerte Zeugnisausstellung konkrete Bewerbungschancen entgangen sind, können Sie Schadensersatzansprüche geltend machen. Allerdings liegt die Beweislast bei Ihnen als Arbeitnehmer.

Nein, Sie haben Anspruch auf ein formal und inhaltlich korrektes Zeugnis. Dies umfasst sowohl die äußere Form (sauberes Geschäftspapier, keine Knicke) als auch den Inhalt (wahrheitsgemäß, wohlwollend, vollständig).

Bei einem Betriebsübergang nach § 613a BGB ist der neue Arbeitgeber für die Ausstellung verantwortlich. Er muss ein Gesamtzeugnis erstellen, das auch Ihre Tätigkeit beim bisherigen Arbeitgeber umfasst. Optional können Sie auch separate Zeugnisse für beide Zeiträume anfordern.

Ihr Anspruch bleibt bestehen. Wurde das Arbeitsverhältnis vor der Insolvenzeröffnung beendet, ist der ursprüngliche Arbeitgeber zuständig. Bei Beendigung nach Insolvenzeröffnung muss der Insolvenzverwalter das Zeugnis ausstellen.

Nein, das ist kein zulässiger Grund. In solchen Fällen muss der nächsthöhere Vorgesetzte oder die Personalabteilung das Zeugnis auf Basis der vorhandenen Unterlagen erstellen.

Ja, der Anspruch unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren, §§ 195, 199 BGB. Diese beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Wir empfehlen jedoch dringend, das Zeugnis zeitnah anzufordern.

Die Kosten hängen vom Einzelfall und dem erforderlichen Vorgehen ab. Häufig übernimmt Ihre Rechtschutzversicherung die Kosten. In einem ersten Beratungsgespräch klären wir gerne die Erfolgsaussichten und möglichen Kostenrisiken.

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