Grundsatz: Fortbestand der Verträge
Ein weit verbreiteter Irrtum ist die Annahme, dass mit der Auflösung einer GbR automatisch alle ihre Vertragsverhältnisse enden. Dies ist nicht der Fall. Grundsätzlich bleiben alle Verträge, die die GbR geschlossen hat, auch nach ihrer Auflösung bestehen. Die GbR existiert in der Liquidationsphase als „GbR in Liquidation“ oder „GbR i.L.“ fort und behält ihre Rechtsfähigkeit.
Dies hat zur Folge, dass bestehende Mietverträge weiterhin gültig bleiben und erfüllt werden müssen. Arbeitsverträge mit Angestellten bestehen ebenfalls unverändert fort und können nicht automatisch beendet werden. Laufende Lieferverträge mit Kunden oder Lieferanten behalten ihre Wirksamkeit und müssen von der GbR in Liquidation weiterhin bedient werden. Auch Darlehensverträge und deren Zahlungsverpflichtungen bestehen unverändert fort. Dienstleistungsverträge müssen von den Liquidatoren im Namen der GbR weiterhin erfüllt werden, soweit dies möglich ist.
Die GbR in Liquidation
Nach § 730 BGB tritt die GbR mit ihrer Auflösung in das Stadium der Liquidation (Abwicklung) ein. In dieser Phase hat die Gesellschaft nur noch den Zweck, ihre laufenden Geschäfte zu beenden, ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen, ihre Forderungen einzuziehen und das verbleibende Vermögen unter den Gesellschaftern zu verteilen.
Die Liquidation ist ein strukturierter Prozess, der mehrere aufeinanderfolgende Schritte umfasst. Zunächst erfolgt die Bestellung der Liquidatoren, wobei gesetzlich alle Gesellschafter automatisch zu Liquidatoren werden, wenn nichts anderes vereinbart wurde. Bei einer im Gesellschaftsregister eingetragenen GbR müssen die Liquidatoren zudem zur Eintragung angemeldet werden und bei Vertretungshandlungen einen Liquidationszusatz verwenden.
Im nächsten Schritt müssen die laufenden Geschäfte beendet werden, wobei die Liquidatoren bestehende Verträge systematisch abwickeln und Dauerschuldverhältnisse nach Möglichkeit kündigen. Parallel dazu ziehen die Liquidatoren sämtliche offenen Forderungen der Gesellschaft ein und wandeln das vorhandene Gesellschaftsvermögen in Geld um, um die Verteilungsfähigkeit zu gewährleisten.
Anschließend werden aus der vorhandenen Liquidität alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber Gläubigern beglichen, wobei für noch nicht fällige oder streitige Forderungen entsprechende Rückstellungen zu bilden sind. Nach vollständiger Begleichung der Gesellschaftsschulden erfolgt die Rückerstattung der von den Gesellschaftern geleisteten Einlagen, wobei für Sacheinlagen in der Regel ein Wertersatz in Geld geleistet wird.
Sollte nach Befriedigung aller Gläubiger und der Rückerstattung der Einlagen noch ein Überschuss vorhanden sein, wird dieser unter den Gesellschaftern entsprechend ihrer Gewinnbeteiligung verteilt. Ist das Vermögen für die Schuldenbegleichung nicht ausreichend, müssen die Gesellschafter nach dem Verhältnis ihrer Verlustbeteiligung Nachschüsse leisten.
Im Rahmen dieser Schritte müssen die Liquidatoren auch über den Umgang mit den laufenden Verträgen entscheiden.
Umgang mit verschiedenen Vertragstypen
Je nach Art des Vertrags ergeben sich unterschiedliche Handlungsoptionen für die Liquidatoren bei der Abwicklung laufender Rechtsverhältnisse.
Dauerschuldverhältnisse (Miet-, Pacht-, Arbeitsverträge)
Dauerschuldverhältnisse wie Miet-, Pacht- oder Arbeitsverträge können in der Regel nur unter Einhaltung der vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungsfristen beendet werden. Eine außerordentliche Kündigung ist nur möglich, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, wobei die bloße Auflösung der GbR in der Regel keinen wichtigen Grund darstellt. Die Liquidatoren müssen daher frühzeitig alle relevanten Kündigungsfristen prüfen und entsprechende Kündigungen aussprechen.
Werkverträge und Dienstverträge
Bei noch nicht vollständig erfüllten Werk- oder Dienstverträgen stehen den Liquidatoren grundsätzlich zwei Handlungsoptionen zur Verfügung. Sie können entweder die vertraglichen Pflichten während der Liquidationsphase vollständig erfüllen, was oft die wirtschaftlich sinnvollere Lösung darstellt. Alternativ können sie mit dem jeweiligen Vertragspartner über eine einvernehmliche Vertragsaufhebung verhandeln, die möglicherweise mit der Zahlung einer angemessenen Entschädigung verbunden ist.
Sukzessivlieferverträge und Bezugsverträge
Langfristige Liefervereinbarungen bedürfen einer besonders sorgfältigen Prüfung im Liquidationsprozess. Die Liquidatoren müssen dabei klären, ob Mindestabnahmemengen vereinbart wurden, die auch in der Liquidationsphase zu erfüllen sind. Sie müssen zudem prüfen, ob Rahmenverträge bestehen, aus denen noch Einzelbestellungen abgerufen werden können oder müssen. Von besonderer Bedeutung ist auch die Analyse der vertraglichen Laufzeiten und Kündigungsfristen, um die finanziellen Auswirkungen korrekt einschätzen zu können.
Lizenz- und Nutzungsverträge
Bei der Abwicklung von Lizenzverträgen müssen die Liquidatoren mehrere Aspekte berücksichtigen. Sie müssen klären, ob die durch den Lizenzvertrag eingeräumten Rechte auf Dritte oder einzelne Gesellschafter übertragbar sind. Zudem ist zu prüfen, ob der Vertrag eine „Change of Control“-Klausel enthält, die bei einer Auflösung oder Vertragsübertragung greifen könnte. Schließlich muss geklärt werden, über welchen Zeitraum Lizenzgebühren noch zu entrichten sind und ob eine vorzeitige Beendigung wirtschaftlich sinnvoll ist.
Versicherungsverträge
Versicherungsverträge erfordern eine besonders umsichtige Behandlung während des Liquidationsprozesses. Die Liquidatoren müssen sorgfältig abwägen, welche Versicherungen sofort gekündigt werden können und welche für die Dauer der Liquidation oder darüber hinaus fortgeführt werden sollten. Bei manchen Versicherungsarten, wie beispielsweise bei der Berufshaftpflicht- oder Betriebshaftpflichtversicherung, kann ein fortbestehender Schutz auch nach der formellen Beendigung der GbR wichtig sein, um etwaige Spätschäden abzudecken und die Gesellschafter vor langfristigen Haftungsrisiken zu schützen.