Gefährliche Körperverletzung im Jugendstrafrecht

Rechtsanwältin
Strafverteidigerin

Das Wichtigste im Überblick:
- Bei gefährlicher Körperverletzung durch Jugendliche drohen im Jugendstrafrecht Sanktionen von Erziehungsmaßregeln über Jugendarrest bis hin zu Jugendstrafen von maximal 5 Jahren
- Das Jugendstrafrecht folgt primär dem Erziehungsgedanken und bietet zahlreiche Alternativen zur Jugendstrafe
- Unsere Kanzlei Hartun & Killet konnte bei zahlreichen Fällen mit jugendlichen Mandanten eine Hauptverhandlung vermeiden und alternative Maßnahmen statt Freiheitsentzug erreichen
Was ist gefährliche Körperverletzung im Sinne des Strafgesetzbuchs?
- Gift oder andere gesundheitsschädliche Stoffe eingesetzt werden
- Eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet wird
- Ein hinterlistiger Überfall stattfindet
- Die Tat gemeinschaftlich mit anderen begangen wird
- Eine das Leben gefährdende Behandlung durchgeführt wird
Das Strafmaß bei gefährlicher Körperverletzung im Jugendstrafrecht
Das Jugendstrafrecht unterscheidet sich grundlegend vom Erwachsenenstrafrecht. Während im Erwachsenenstrafrecht das Strafmaß primär nach der Schwere der Tat festgelegt wird, steht im Jugendstrafrecht der Erziehungsgedanke im Vordergrund. Bei jugendlichen Tätern zwischen 14 und 17 Jahren wird das Strafmaß bei gefährlicher Körperverletzung im Jugendstrafrecht daher individuell und unter Berücksichtigung der Persönlichkeitsentwicklung festgelegt.
Das Jugendgerichtsgesetz (JGG) sieht drei Kategorien von Rechtsfolgen vor:
1. Erziehungsmaßregeln (§§ 9-12 JGG)
- Weisungen (z.B. Teilnahme an einem Anti-Aggressionstraining)
- Erziehungsbeistandschaft
- Heimerziehung
2. Zuchtmittel (§§ 13-16 JGG)
- Verwarnung
- Auflagen (z.B. Täter-Opfer-Ausgleich, Entschuldigung beim Opfer)
- Jugendarrest (Freizeitarrest, Kurzarrest oder Dauerarrest bis zu vier Wochen)
3. Jugendstrafe (§§ 17-30 JGG)
- Mindestdauer: sechs Monate
- Höchstdauer bei gefährlicher Körperverletzung: fünf Jahre
- Möglichkeit der Aussetzung zur Bewährung
Wichtig zu wissen: Anders als im Erwachsenenstrafrecht gibt es im Jugendstrafrecht keine festgelegten Mindeststrafen für bestimmte Delikte. Das Gericht hat hier einen erheblich größeren Ermessensspielraum und kann die Sanktion individuell auf den jugendlichen Täter zuschneiden.
Wann droht eine Jugendstrafe bei gefährlicher Körperverletzung?
Eine Jugendstrafe – also die härteste Sanktion im Jugendstrafrecht – kommt nur dann in Betracht, wenn entweder:
- Schädliche Neigungen des Jugendlichen vorliegen, die ohne längere Erziehungsmaßnahmen nicht behoben werden können, oder
- Die Schwere der Schuld eine Jugendstrafe erfordert
In der Praxis bedeutet dies, dass bei einer erstmaligen gefährlichen Körperverletzung ohne schwerwiegende Folgen für das Opfer in vielen Fällen von einer Jugendstrafe abgesehen werden kann. Stattdessen kommen häufig Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zum Einsatz.
Faktoren, die das Strafmaß beeinflussen
Folgende Faktoren haben erheblichen Einfluss auf das zu erwartende Strafmaß bei gefährlicher Körperverletzung im Jugendstrafrecht:
Geständnis und Einsicht
Eine frühzeitige und glaubhafte Übernahme von Verantwortung sowie echte Reue wirken sich in der Regel strafmildernd aus. Unsere Erfahrung zeigt, dass Jugendliche, die bereit sind, sich mit ihrer Tat auseinanderzusetzen, häufig mildere Sanktionen erhalten, da dies vom Gericht als positives Zeichen für die persönliche Entwicklung gewertet wird.
Vorstrafen und bisheriges Verhalten
Bei Ersttätern steht der Erziehungsgedanke noch stärker im Vordergrund, wodurch die Chancen auf eine milde Sanktion deutlich höher sind. Mit zunehmender Anzahl an Vorstrafen steigt jedoch die Wahrscheinlichkeit einer härteren Sanktion, da das Gericht dann von einer geringeren Wirksamkeit erzieherischer Maßnahmen ausgehen kann.
Persönliche Entwicklung
Die schulische oder berufliche Situation des Jugendlichen sowie seine allgemeine Entwicklung spielen eine wichtige Rolle bei der Beurteilung durch das Gericht. Ein stabiles Umfeld, regelmäßiger Schulbesuch oder eine Ausbildung können zu einer positiven Prognose beitragen und sprechen für eine günstigere soziale Integration des Jugendlichen.
Tatbeteiligung und -motivation
Das Ausmaß der eigenen Tatbeteiligung (Haupttäter oder Mitläufer) sowie die Beweggründe für die Tat werden bei der Strafzumessung berücksichtigt. Ein Jugendlicher, der lediglich als Mitläufer agierte oder aus einer Notsituation heraus handelte, kann mit einer milderen Beurteilung rechnen als jemand, der die Tat initiierte oder aus niederen Beweggründen handelte.
Folgen für das Opfer
Die Schwere der Verletzungen und mögliche dauerhafte Folgen für das Opfer wirken sich entscheidend auf das Strafmaß aus. Je gravierender die körperlichen und psychischen Folgen für das Opfer sind, desto wahrscheinlicher ist eine härtere Sanktion durch das Gericht.
Nachtatverhalten
Bemühungen zur Wiedergutmachung, ein erfolgreicher Täter-Opfer-Ausgleich oder die freiwillige Teilnahme an therapeutischen Maßnahmen können das Strafmaß erheblich reduzieren. Diese proaktiven Schritte demonstrieren dem Gericht, dass der Jugendliche Verantwortung übernimmt und an seiner persönlichen Entwicklung arbeitet.
Verteidigungsstrategien bei gefährlicher Körperverletzung im Jugendstrafrecht
Mit einer professionellen Verteidigungsstrategie kann das Strafmaß bei gefährlicher Körperverletzung oft deutlich gemildert werden. Bei Hartun & Killet setzen wir auf einen zweistufigen Ansatz:
1. Tatvorwurf entschärfen
Zunächst prüfen wir, ob der Tatvorwurf der gefährlichen Körperverletzung überhaupt gerechtfertigt ist. Oft lässt sich durch eine präzise Tatrekonstruktion nachweisen, dass die Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
2. Erziehungsgedanken in den Vordergrund stellen
Parallel dazu entwickeln wir eine individualisierte Verteidigungsstrategie, die den Erziehungsgedanken des Jugendstrafrechts betont:
- Frühzeitige Einleitung positiver Maßnahmen (z.B. Täter-Opfer-Ausgleich)
- Teilnahme an Anti-Aggressionstrainings oder anderen therapeutischen Angeboten
- Entwicklung eines strukturierten Zukunftsplans (schulisch/beruflich)
- Förderung von echter Einsicht und Verantwortungsübernahme
Mit diesem Ansatz konnten wir in zahlreichen von uns betreuten Fällen gefährlicher Körperverletzung mit jugendlichen Beschuldigten eine Hauptverhandlung vermeiden und einvernehmliche Lösungen mit Staatsanwaltschaft und Jugendgerichtshilfe erzielen.
Ablauf eines Jugendstrafverfahrens bei gefährlicher Körperverletzung
Polizeiliche Ermittlungen
Das Verfahren beginnt in der Regel mit einer Anzeige und der polizeilichen Ermittlungsarbeit. Bereits in diesem Stadium ist es ratsam, anwaltliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen, da Aussagen bei der Polizei den weiteren Verlauf des Verfahrens maßgeblich beeinflussen können.
Entscheidung der Staatsanwaltschaft
Nach Abschluss der Ermittlungen entscheidet die Staatsanwaltschaft über das weitere Vorgehen. Die Staatsanwaltschaft kann das Verfahren einstellen, gegebenenfalls mit Auflagen, einen Antrag auf vereinfachtes Jugendverfahren stellen oder Anklage erheben.
Jugendgerichtshilfe
Die Jugendgerichtshilfe erstellt einen Bericht über die persönlichen Verhältnisse des Jugendlichen und gibt eine Empfehlung zur erzieherischen Maßnahme ab. Dieser Bericht hat erheblichen Einfluss auf die richterliche Entscheidung.
Hauptverhandlung
Die Hauptverhandlung vor dem Jugendgericht ist nicht öffentlich. Anders als im Erwachsenenstrafrecht steht hier nicht die Schuldfeststellung im Vordergrund, sondern die Persönlichkeit des Jugendlichen und die Frage, welche Maßnahmen für seine Entwicklung am förderlichsten sind.
Urteil und Rechtsfolgen
Das Urteil kann von Erziehungsmaßregeln über Zuchtmittel bis hin zur Jugendstrafe reichen. Bei Jugendstrafen bis zu zwei Jahren ist eine Aussetzung zur Bewährung möglich.
Langfristige Folgen einer Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung
Eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung kann auch im Jugendstrafrecht langfristige Auswirkungen haben.
Eintrag im Erziehungsregister
Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel werden im Erziehungsregister eingetragen und nach Erreichen der Volljährigkeit in der Regel gelöscht. Diese Einträge sind nur für Gerichte und Strafverfolgungsbehörden einsehbar und erscheinen nicht im Führungszeugnis.
Eintrag im Bundeszentralregister
Jugendstrafen werden im Bundeszentralregister eingetragen. Je nach Dauer der Strafe kann die Tilgungsfrist zwischen 5 und 10 Jahren betragen, was einen längeren Zeitraum der offiziellen Registrierung bedeutet.
Auswirkungen auf Führungszeugnis
Jugendstrafen unter zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wurden, erscheinen nicht im Führungszeugnis. Längere Jugendstrafen werden jedoch eingetragen und können berufliche Chancen beeinträchtigen, da viele Arbeitgeber bei Einstellungen ein Führungszeugnis verlangen.
Auswirkungen auf die berufliche Zukunft
Bestimmte Berufe, insbesondere im öffentlichen Dienst oder im Sicherheitsbereich, setzen ein einwandfreies Führungszeugnis voraus. Eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung kann hier zum Ausschluss führen und somit die Berufswahl deutlich einschränken.
Unsere Expertise im Bereich gefährlicher Körperverletzung im Jugendstrafrecht
Die Kanzlei Hartun & Killet verfügt über jahrelange Spezialisierung im Jugendstrafrecht. In zahlreichen Fällen gefährlicher Körperverletzung mit jugendlichen Beschuldigten konnten wir beachtliche Erfolge erzielen:
- In vielen Fällen vermieden wir eine Hauptverhandlung
- Bei Hauptverhandlungen erreichten wir in vielen Fälle alternative Maßnahmen statt Jugendarrest oder Jugendstrafe
Unser etabliertes Netzwerk zu Jugendgerichtshilfe, Bewährungshilfe und therapeutischen Einrichtungen ermöglicht uns eine ganzheitliche Verteidigung, die nicht nur auf die rechtlichen Aspekte, sondern auch auf die persönliche Entwicklung unserer jugendlichen Mandanten abzielt.
Was Sie bei einer Vorladung oder Anklage sofort tun sollten
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